30. Im Grünen

[264] 1787.


Willkommen im Grünen!

Der Himmel ist blau,

Und blumig die Au!

Der Lenz ist erschienen!

Er spiegelt sich hell

Am luftigen Quell

Im Grünen!
[264]

Willkommen im Grünen!

Das Vögelchen springt

Auf Sprossen, und singt:

Der Lenz ist erschienen!

Ihm säuselt der West

Ums heimliche Nest

Im Grünen!


Willkommen im Grünen!

Aus knorrigem Spalt

Der Eichen erschallt

Das Sumsen der Bienen;

Flink tragen sie heim

Den würzigen Seim

Im Grünen!


Willkommen im Grünen!

Es blöket im Thal

Das Lämmchen, vom Strahl

Der Sonne beschienen;

Das fleckige Reh

Durchhüpfet den Klee

Im Grünen!


Willkommen im Grünen!

Hier labt uns der Most,

Bei ländlicher Kost;

Und Weiblein bedienen!

Hier ruhen wir weich

Am plätschernden Teich

Im Grünen!


Willkommen im Grünen!

Wir schenken aufs Wohl

Der Weiblein uns voll,

Und äugeln mit ihnen!

Am flimmernden Strahl

Klingt hell der Pokal

Im Grünen!
[265]

Willkommen im Grünen!

Hier darf man, vertraut

Gelagert im Kraut,

Zum Kuß sich erkühnen!

Es wallet vor Lust

Auch Weiblein die Brust

Im Grünen!


Willkommen im Grünen!

Ein Kranz von Gezweig

Und Blüten wird euch

Die Strafende sühnen:

Die sprödeste Frau

Nimmt's nicht so genau

Im Grünen!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 264-266.
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