Zu Goethes Geburtstagfeier

[155] 28. August 1826.


Purpurglüh'nde Morgenröthe

Kündet uns den Tag, wo Goethe

Einst das Licht der Sonn' erblickt;

Wo der ganze Chor der Musen

Mit dem Nektar ihrer Busen

Das Heroenkind erquickt.


Eilf der flücht'gen Jahreswochen

Hat ein Gott ihm zugesprochen

Zu der Deutschen Wonn' und Preis:

In den Jahren eilfmal sieben

Sind die Musen hold geblieben

Wie dem Jüngling, so dem Greis.


Seine Silberlocken glänzen

Unter frischen Lorbeerkränzen,

Wie dem Sänger des Achill;

Und dem alten Zaubermeister

Folgen des Gesanges Geister,

Wann er ruft und wann er will.
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Seinen Feinden soll vergeben

Wer als ächter Christ will leben,

Siebenzig mal siebenmal.

So viel Jahre mög' Er leben,

Dem ein edler Saft der Reben

Blinkt in diesem Festpokal.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 155-157.
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