Der müller mit der katzen

[182] In dem hofton Muscatblüts.


25. juni 1545.


1.

Ein müller war,

welcher doch gar

vermeret was

beim bauren, das

er gar zu hart tet mitzen.

Ein bauer bracht

im trait und dacht,

wie ers unzupft

und ungerupft

brecht aus der mül mit witzen,

Blieb in der mül, bis man abmalt,

den ganzen halben tage.

seim weib ofnet der mülner balt

sein heimlichen anschlage.

als in der kül

loff durch die mül

des mülners große katzen,

so balt der mülner die ersach,

zum bauren sprach:

»schau an, das tier,

das fehet mir

die aller grösten ratzen.


2.

Auch kan sie sunst

ein freie kunst;

sprich ich ir zu:

greif und faß du,

so kan im bach sie fischen.«[183]

Der bauer zwar

sprach: »ist dis war?

geren ich sech,

wan dis geschech.«

der müller tet erwischen

Sein katzen, trugs hinaus an bach,

sam solt sie fischlein fangen;

der fürwiz bauer zog hinach;

der mülner mit verlangen

der katzen schrier

eins oder zwier:

»greif! greif!« und tet sie zetzen;

er meint aber die müllerin,

die heimlich din

verborgen stack,

die greif in sack,

stal daraus einen metzen.


3.

Der mülner hilt

die katzen wilt

neher an bach

und schrier darnach

»greif! greif!« zum andern male.

Die müllerin

hort wie vorhin

und aber grief

in sack gar tief,

wider ein metzen stale.

In bach warf er die katzen sein,

sprach: »du bist heut unlüstig.«

sie gingen beid int mül hinein

faßten das mel gar rüstig.

der sack war ler,

da saget der

bauer: »ich het nicht glaubet,[184]

das mein koren so übel geb,

so war ich leb,

wer ich nit frei

gewest darbei!«

durch list wart er getaubet.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 182-185.
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