Der 4. (49.) Kühlpsalm

[217] Als er stund in der Feuerfigur der Christenheit und seine ungewöhnliche Bindung in seinem erstem Anfange, Holland, von innen und aussen, mittelbahrem und unmittelbahrem, um ja völlig theils zerknirschet, theils unwerth zu werden vor seinen Hassern, busfertig überwog im Hage den 21 und Schidam den 22 Junius; in Utrecht den 3 Jul. und Maersen bei Suylen den 5 Jul. 1679.


1. 2. 3. 4. 5. 4. 3. 2. 1.

Zermahle mich, Jehovah, nicht im Zorn!

Ach straffe nicht, nachdem ich straff verdinet!

Gedenke doch, das ich kaum zartes korn,

Das du gepflantzt, das du selbst ausgegrünet!

Gedenke, das ich gäntzlich schwach,

Sehrelend, arm, im Ungemach!

Gedenke, ist es möglich, deiner gütt![217]

Ists möglich! Doch dein Will ist meine bitt.

Zerhalme mich, Jehovah, voller libe:

Zermalme fort, was meine Werk und tribe.


2. 3. 4. 5. 1. 5. 4. 3. 2.

Di Bosheit rufft: Gott ist, der ihn verläst!

Verlachet erst uneignes libeswürken!

Vil scheuen mich als einen, der di Pest,

Und sind darinn auch schlimmer als di Türken.

Si meinen, das dein schlus verdrükkt,

Und halten sich nun hochbeglükkt!

Allein ich seh in allem Gotteshand:

Drum tröstet mich di zugewandte schand.

Zerfälle mich, Jehovah, voller libe:

Zerschelle fort, was meine werk und tribe.


3. 4. 5. 1. 2. 1. 5. 4. 3.

Der Kelch ist schwer, der mir bisher gerekkt!

Ich bin und bin in mir selbst mir entzogen!

Nihm, Vater, weg, was mich vor dir beflekkt!

Was vil zuleicht, als ich von dir gewogen!

Nihm, Vater, weg um Jesus Kreutz,

Mit dem ich noch dich täglich reitz!

Ach rein und rein als wi das reinste gold,

Bis ich erlangt aufs reinste deine hold.

Zertreibe mich, Jehovah, voller libe:

Zerreibe fort, was meine werk und tribe.


4. 5. 1. 2. 3. 2. 1. 5. 4.

Mein Fleisch erbebt! Mein Blutt erkältet hart!

Es wird mir angst so lange Angst zutragen!

Ich schrekk und schrekk! Imehr ich deiner wart,

I heimlicher umfesseln band und plagen!

Mein Gott erscheint gewaltsamstreng!

Die Enge engert neu di Eng!

Ach Menschenhülf ist mir stets leim und netz,

Ein strikk, ein fall! Mein Vater, komm, entsätz![218]

Zerläutre mich, Jehovah, voller libe:

Zerscheitre fort, was meine werk und tribe.


5. 1. 2. 3. 4. 3. 2. 1. 5.

Zum euserstem ist Alles nun gebracht,

Und bin auch recht zum euserstem gebunden!

Ach Hiobsfreund! Ich lig in Hiobsnacht!

Eur helfen ist nur Hiob tiffer wunden!

Ach wär es so, wi man gedenkt,

Wo würd ich itz, mein Gott, versenkt?

Allein mir ists dis alles wi ein Nichts!

Drum jauchtzt mein Geist! Gott tödtet unser Ichts.

Zerstükke mich, Jehovah, voller libe:

Zerdrükke fort, was meine werk und tribe.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 1 (Buch 1–4), Tübingen 1971, S. 217-219.
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